Die Ott-Casts Erklehrvideos®

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Feedback zu meinen Flipped Classroom

Nach einem Schuljahr des recht intensiven Flippens in der Klasse BW12a wollte ich nun kurz vor den Abi-Prüfungen von den Schülern Rückmeldung erhalten, weshalb ich letzte Woche einen Fragebogen erstellte und ausfüllen ließ.

Ich unterrichtete diese Klasse in den Fächern „Betriebswirtschaftslehre mit Rechnungswesen (BWR)“ und Wirtschaftsinformatik (Winfo). In BWR hatten sich die Schüler im Lauf des Jahres 25 Videos anzuschauen; in Wirtschaftsinformatik lediglich sechs.

An der Umfrage, die nicht zwischen BWR und WInfo unterschied, haben sich alle anwesenden 12 Schüler beteiligt.

Aufgrund dieser Rückmeldungen komme ich zu folgenden Schlüssen und Erkenntnissen.

  1. Ich muss die Schüler stärker dazu bringen, sich die Videos vor der Behandlung des Themas im Unterricht anzuschauen.
    Acht Schüler gaben an, die Videos „oft nachträglich“ zu schauen; lediglich fünf schauten sie „oft vor der Behandlung“ an. Wie kriege ich die nun Schüler dazu, die Videos künftig vorher zuschauen? Ich werde wohl die Inhalte zu Beginn der jeweiligen Stunden direkt abprüfen müssen, um so die (leider extrinische) Motivation zu steigern. Obwohl: Gerade in BWR ist es so, dass manche Schüler mit recht großem Vorwissen an die Berufsoberschule (Voraussetzung: abgeschlossene Berufsausbildung!) kommen und insofern (oft zurecht) auf die Gundlagenvideos verzichten können.
    Immerhin: Kein Schüler gab an, die Videos immer nachträglich oder nie angeschaut zu haben.

  2. Videos sind interaktiv besser. Acht Schüler stimmten dieser Aussage zu; „schlechter“ fand die Videos keiner. Drei Schüler hatten die neuen, interaktiven Videos aber gar nicht angeschaut. Die Interaktivität erzeuge mit Hilfe von H5P. Das Video stoppt zu vordefinierten Zeitpunkten und präsentiert dem Schüler je eine Frage, die er richtig beantworten muss, bevor er das Video fortsetzen kann. In einem 15-Minuten-Video habe ich ca. fünf Fragen platziert.

  3. Meine Videos sind verständlich und haben die richtige Länge, so sagten die Schüler mehrheitlich. Dass die Videos verständlich sind, belegt möglicherweise auch die Tatsache, dass 11 Schüler sich die Videos maximal dreimal anschauen (müssen oder wollen). Nur ein Schüler gab an, die Videos zwischen 3-5 mal anzuschauen. In Flipper-Kreisen gilt die Regel, dass ein Video ca. 3-5 Minuten dauern sollte, doch ich bin der Meinung, dass die Länge durchaus auch vom Alter der Schüler abhängen darf. Berufsoberschüler sind ca. 21 Jahre alt und können möglicherweise längere Einheiten verkraften – oder sie schauen die Videos in mehreren Häppchen an. Sieben der 12 Schüler schauen auch BWR-Videos anderer Lehrer/Anbieter an. Ob sie das auch schon vor diesem Schuljahr getan hatten, oder ob sie erst durch meine Videos darauf kamen, habe ich nicht gefragt.

  4. Sieben Schüler gaben an, dass „Aktives Plenum“ und „Lernen durch Lehren“ geeignet seien, um die Schüler in den Mittelpunkt des Lernens und Lehrens zu stellen. Fünf sagten, dass das nicht geeignet sei. Können „Aktives Plenum“ und „Lernen durch Lehren“ die Kommunikation zwischen Schülern erhöhen und ihnen die Angst vor Fragen nehmen? Hier haben jeweils sechs Schüler zugestimmt bzw. abgelehnt. Das bedeutet für mich, dass ich zukünftig die sozialen Interaktionen im Unterricht stärker thematisieren muss, um den Schülern die Veränderung gegenüber dem klassischen Unterricht deutlich(er) zu machen. Etwa: „Schauen Sie, jetzt haben Sie diese Aufgabe ganz selbstständig gelöst. Es war nicht nötig, dass ich inhaltlich eingreife!“ Oder: „Haben Sie bemerkt, dass Sie in dieser Stunde sehr stark miteinander interagiert haben und nicht ich den Lösungsweg dominiert habe?“

  5. Sieben Schüler würden auch in Zukunft gerne videounterstützt lernen (in Ausbildung oder Studium), nur fünf haben hier „nein“ angekreuzt. Hier hätte ich mir gerne ein klareres Ergebnis gewünscht, denn ich bin davon überzeugt, dass FC das Lernen der Zukunft sein wird und die Schüler das eh schon tun, wenn Sie sich z. B. eine spezielle Funktion ihres Smartphones über ein YouTube-Video erklären lassen. (Ein Schüler vermerkte zusätzlich auf dem Fragebogen, dass er sich viele Themen über YouTube-Videos erarbeite, man aber immer auf deren Qualität achten müsse.)

  6. Der Einsatz von Audience Response Systemen wie Kahoot! oder Playbuzz sollte nicht zur Routine werden. Neun Schüler sagten, dass sie diese Spiele zur Wissenskontrolle gerne öfters gespielt hätten; drei Schülern waren mit der Anzahl der Einsätze zufrieden. 9:3 – das sagt mir, dass diese ARS nach wie vor etwas Besonderes sind und sie sich noch nicht tot gelaufen haben.


Ein Schüler kiritisierte, dass die Videos teilweise zu einfach seien und er sich anspruchvollere Aufgaben wünsche. Diese Forderung ist nachvollziehbar, geht aber am Zweck der Videos vorbei. Sie sollen die Grundlagen behandeln, eine erste Begegnung mit dem Stoff ermöglichen, die komplexeren Aufgaben folgen dann im Unterricht. „Die meisten Schwierigkeiten beim Lernen treten nicht beim ersten Kontakt mit den Lerninhalten auf, sondern beim vertieften Auseinandersetzen mit ihnen. Im letztgenannten Fall sind die Schüler häufig auf sich alleine gestellt, obwohl in dieser Phase die meisten Probleme auftreten“, so Janine Espig in ihrer Bachelorarbeit zu Flipped Classroom, die sich damit auf I. Braun u.a., 2012 bezieht.

Fazit: Mein Flipped Classroom wurde mehrheitlich angenommen; einzig die „neuartige Gestaltung des Unterrichts“ kam den Schülern wohl noch etwas suspekt vor. Hier gilt es meiner Meinung nach, dranzubleiben und den Schülern immer wieder die Vorteile dieser neuen Methoden zu vergegenwärtigen.